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Die Entstehung kindlicher Welten – Das Werden der einen Welt

Hans Sillescu

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In jedem Menschen entwickelt sich schon im Sauglingsalter eine ganz personliche eigene Welt, die bestimmt und gepragt wird durch die Eigenheiten seiner Anlagen sowie seiner personellen und materiellen Umwelt. Es entsteht dabei wohl zuerst ein gewisses Selbstgefuhl und besonders in der Konfrontation mit den Forderungen der Eltern ein eigener Wille, der zumindest in unserer westlichen Kultur zu einem selbstbewussten Ich fuhrt, das sich gegen Ende des zweiten Lebensjahrs zum ersten Mal sprachlich artikuliert. Von den Psychologen und Padagogen, die sich mit der fruhkindlichen Entwicklung beschaftigen, konnen wir lernen, dass hier faszinierende Parallelen zur Phylogenese des Homo sapiens bestehen. Der vorgeschichtlichen Periode, in der die Marchen und Mythen entstanden sind, entspricht in der Kindesentwicklung die magische Phase, in der die Welt ganz selbstverstandlich von Fabelwesen bevolkert ist, die dem Kind genauso real erscheinen wie die Wirklichkeit den Erwachsenen. Doch eines Tages entdeckt das Kind, dass der Weihnachtsmann in Wirklichkeit nur der Onkel Franz mit umgehangtem Bart ist. Manche Kinder erleben hier ihre erste tiefgreifende Enttauschung, an die sie sich bis an ihr Lebensende erinnern. Andere mogen dieses Erlebnis weniger dramatisch empfinden. Bei allen beginnt jedoch jetzt die Entfaltung einer neuen, wirklichen Welt, in die nur aufgenommen wird, wer oder was einer kritischen Uberprufung seiner Wirklichkeit standhalt. Besonders Ingenieure und Naturwissenschaftler bleiben manchmal zeitlebens in dieser vermeintlich objektiven Realitat gefangen, weil sie ihnen eine ahnliche Geborgenheit und Sicherheit verleiht wie ihr Kinderglaube, den sie zusammen mit dem Weihnachtsmann ins Reich der Fabeln vertrieben haben.

https://doi.org/10.1007/978-3-662-48124-0_1