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Krise und Schulden – Eine (rechtliche) Begriffsklärung
Carsten Homannsubject
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Mit Artikel 20 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes fur die Bundesrepublik Deutschland hat sich die juristische Methodik des Rechtspositivismus im deutschen Recht niedergeschlagen. Die Vorschrift lautet: „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmasige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Recht und Gesetz gebunden.“ Nach dem Rechtspositivismus hat sich die juristische Tatigkeit allein auf die Anwendung von aus dem Gesetzestext direkt entnommenen Fallregulierungen zu fokussieren; mit der schriftlichen Fixierung in Gesetzen soll das gesprochene Recht antizipatorisch und eindeutig festgelegt werden. Die Anwendung dieser positiven Rechtsregeln erfolgt durch die sog. Subsumtion, also die Unterordnung eines einzelnen zu entscheidenden Falles unter den im Gesetzestext formulierten Tatbestand. Die tatsachliche Tatigkeit der Gesetzesanwendung ist indes komplexer als der Blick auf die vorgenannte Definition erkennen lasst. Auch die Lehre des Rechtspositivismus kommt nicht umhin, dass Rechtsanwendung eine Interpretation des Gesetzestextes vonnoten macht, also sprachliches Verstehen und sprachliche Auslegung bedingt. Damit unterwirft sich das Recht der Sprache. „Gesetze sind Satze: Sprachereignisse.“ Die Sprache stellt den Trager von Gesetzesvorschriften dar, ohne sie wurden Gesetze nicht bestehen. Folglich ist das Recht aber auch den Schwachen der Sprache unterworfen: Mehrdeutigkeit, Vagheit und Abstraktheit, sprich: Ungenauigkeiten der Sprachen gehen zu seinen Lasten. Das ideale Gesetz setzt die ideale Sprache voraus! Eine Voraussetzung die kaum erfullbar erscheint. Daher spielt in der rechtlichen Fallbearbeitung die Auslegung eine grose Rolle. Einer solchen bedurfen beispielsweise Gesetze, einzelne Willenserklarungen oder auch ganze Vertrage. Dabei werden auch die Grenzen deutlich, die das Recht selbst der Sprache setzt: So hat der wirkliche Wille bei der Auslegung einer Willenserklarung gemas § 133 des Burgerlichen Gesetzbuches (BGB) Vorrang vor dem buchstablichen Sinn des Ausdrucks. Vertrage sind nach § 157 BGB nach Treu und Glauben mit Rucksicht auf die Verkehrssitte auszulegen. Wahrend § 133 BGB auf den empirischen Willen abstellt (sog. naturliche Auslegung), verweist § 157 BGB auf die objektive Erklarungsbedeutung (sog. objektiv-normative Auslegung). Darauf aufbauend hat sich in der Rechtsprechung mit Blick auf die Gesetzesauslegung schnell die Auffassung durchgesetzt, dass nicht der Wortlaut allein, sondern auch der Zweck der Norm zur Auslegung heranzuziehen ist. Somit stellt die Sprache den Ansatzpunkt des Rechts dar, aber nicht notwendigerweise seine Begrenzung. In diesem Sinne haben sich vier klassische Auslegungsmethoden herausgebildet, die hier nur kurz angerissen werden sollen. Ausgangspunkt aller Auslegungen ist die Wortbedeutung (sog. sprachlichgrammatikalische Auslegung). Gibt es keine gesetzliche Festlegung (sog. Legaldefinition), so gilt zunachst der Sprachgebrauch der Juristen, im Ubrigen der allgemeine Sprachgebrauch. Ein eindeutiger Wortsinn ist grundsatzlich Grenze jeder Auslegung, es sei denn, der aus der Historie der Vorschrift zu ermittelnde Gesetzeszweck befiehlt eine abweichende Auslegung. Damit sind auch schon zwei weitere Auslegungsmethoden genannt, die sogleich beschrieben werden sollen, denen aber noch die systematische Auslegungsmethode vorangestellt werden soll. Hiernach gilt, dass der einzelne Rechtssatz im Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung steht und so auch zu verstehen ist. Auch die systematische Auslegung begrenzt die Auslegung einer Vorschrift, es sei denn, die ratio legis erfordert wiederum anderes. Die historische Auslegung anhand der Gesetzgebungsgeschichte bezieht ihre Bedeutung vor allem in der Ermittlung des Gesetzeszwecks. Dabei kommt es nach hM auf den anhand des Wortlauts objektivierten Willen des Gesetzgebers an, der subjektive hat keine Bedeutung. Folglich sind ausdruckliche Stellungnahmen des Gesetzgebers nicht bindend; beziehen sie sich hingegen auf den Gesetzeszweck, besteht in der Regel eine solche Bindung. Die teleologische Auslegung nimmt die ratio legis in den Blick, orientiert sich also am Gesetzeszweck und ist regelmasig fur das Ergebnis der Auslegung entscheidend. Ansatzpunkt ist der mit der konkreten Norm verfolgte Zweck. Erganzt wird die Auslegung dadurch, dass die Norm in den Zusammenhang einer gerechten und zweckmasigen Ordnung gestellt wird.21 Bestehen mehrere Auslegungsalternativen, so muss ein Ergebnis durch Abwagung gewonnen werden. Nach diesem Uberblick soll nun mit der eigentlichen Begriffsbestimmung begonnen werden. Eine Klarung der Begriffe Krise und Schulden macht infolge der vorstehenden Erlauterung eine Untersuchung aus Sicht der Alltagssprache und der juristischen Terminologie notwendig.
year | journal | country | edition | language |
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2011-01-01 |