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Gesellschaftslehre im Übergang zur industriellen Gesellschaft

Friedrich Jonas

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Das grose Thema der im 18. Jahrhundert begrundeten Soziologie war die Emanzipation. Die Einsicht, das es gesellschaftliche Handlungs-zusammenhange gibt, die sich selbst regulieren und daher nicht vom Staat oder von der Kirche reguliert werden mussen, begrundet den Er-kenntnisgegenstand der Soziologie und legitimiert die Forderung, diese neu entdeckte burgerliche Gesellschaft von den Fesseln der Vergangenheit zu befreien. Die innere Gesetzlichkeit menschlichen Handelns und der menschlichen Gesellschaft, das ist die Antwort, die das 18. Jahrhun-dert auf die Krisis des 17. Jahrhunderts gibt. Diese Antwort ist ebenso radikal neu wie der Ansatz der experimentellen Naturwissenschaften, die Natur als eine eigengesetzliche Sache aufzufassen. Hier wird die alte Vorstellung abgelost, das alle menschlichen Handlungszusammenhange und zumal die Integration einer Hochkultur von oben geplant und ver-waltet werden musten, eine Vorstellung, fur die bis heute Platons das klassische Beispiel ist. Seit der Grundung des pharaonischen Grosreiches, der agyptischen Wasserbauburokratie, war es immer selbst-verstandlich gewesen, das das Zusammenhandeln und Zusammenleben der Menschen einen Herrn voraussetzt, der diesem Handeln Gesetz und Ordnung gibt. Noch Hobbes hatte diese Vorstellung mit aller Scharfe vertreten, aber gegen ihn waren Montesquieu, Locke und andere auf-getreten und hatten die Vorstellung eines Geistes der Gesetze, einer ge-sellschaftlichen Eigengesetzlichkeit entwickelt, die uber diese und ahn-liche Herrschaftsanspruche hinweggehe. Ebenso wie die Natur zu einer eigengesetzlichen Sache wird, werden jetzt auch die Handlungszusam-menhange der Menschen als eigengesetzliche begriffen. Sie hangen nicht von dem Willen dieses oder jenes Herrschers ab, sie sind kein Material, uber das nach Belieben verfugt werden kann; hier druckt sich vielmehr das Schwergewicht einer Sache aus, die sich gegenuber allen Bemuhun-gen, sie zu verwalten und zu kontrollieren, immer wieder durchsetzt.

https://doi.org/10.1007/978-3-658-31409-5_5