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Das Problem des Todes in der deutschen Dichtung des Barock

Friedrich-wilhelm Wentzlaff-eggebert

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Das Thema der folgenden Gedankengange ist nicht willkurlich formuliert. Die darin angebotene zeitliche und inhaltliche Akzentuierung entspricht einer geistesgeschichtlich bedingten Grenzsituation menschlicher Erkenntnis. Zwischen etwa 1620 und 1720, im sogenannten Jahrhundert des deutschen Barock, wahlen drei Generationen dieses Thema fur ihre Dichtungen, ohne das ihr Fragen eine gultige Antwort erfahrt: So wird das Nachdenken uber den Tod zu einem Problem, dem der Einzelne sich in den verschiedenen Abschnitten seines Erdendaseins nahert und entsprechend verschiedene Losungen in poetischer Form niederlegt. Diese Verschiedenheit der Losungsmoglichkeiten der Todesproblematik, die bis zu krasser Antithetik fuhrt, last den Umfang und den Tiefgang der Problematik erkennen. Konsequente Lebensbejahung fuhrt zeitweise zu konsequenter Todesverneinung und umgekehrt. Der Zuruf: „gedenke zu leben“ last das „memento mori“ verstummen. Aber die Wirklichkeit mit den Leiden des Dreisigjahrigen Krieges und der sich stets wiederholenden Pestjahre fuhrt letztlich doch, besonders nach der Lebensmitte, zur ernsthaften Reflexion uber den Tod und damit zur personlichen Auseinandersetzung mit dem Glauben. Die geschichtliche Position des Barockjahrhunderts zwischen Reformation und Aufklarung (Rationalismus) wirkt sich aus. Die Werte von Glaube und Vernunft werden an der Gesetzlichkeit des Todes gemessen. „Erlerntes“ aus der philosophischen Tradition der Stoa steht gegen „Erlebtes“ aus der taglichen Begegnung mit dem Tod. Bekenntnisfreudigkeit zum christlichen Glauben fuhrt in beiden Konfessionen zu einer Jenseitszugewandtheit, die die diesseitige Lebensfuhrung bestimmt und die Angst vor dem Sterben uberwinden hilft. Der triumphierende Tod erscheint dann in Wort- und Bildkunst des deutschen Barock als ein besiegbarer. Der Einzelne ist zu einer Entscheidung aufgerufen, vor allem der Dichter. Traditionelles Christentum gewinnt individuelle Zuge in der Begegnung mit dem Tod.

https://doi.org/10.1007/978-3-642-86172-7_16