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Gesellschaftslehre der Aufklärung

Friedrich Jonas

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Die Geschichte der Soziologie beginnt mit der Trennung von Gesellschaft und Staat. Schon seit dem Altertum kennen wir eine Staatslehre oder Staatsphilosophie, aber erst in der Neuzeit erscheint die Gesellschaft als ein Gegenstand, der einer eigenen Gesetzlichkeit unterliegt und dem da-her auch eine eigene Wissenschaft zugeordnet werden kann. Viele ver-schiedene Ursachen haben an der Entstehung dieses Gegenstandes mit-gewirkt. Es ware musig, sie hier im einzelnen zu erortern. Wir weisen nur darauf hin, das diese Emanzipation immer zweierlei voraussetzt: die Entzauberung von Werten und Ideen, die aus sich selbst bewegenden Wahrheiten zu Teilstucken eines menschlichen Handlungskreises wer-den, und die Erhebung menschlicher Handlungen uber die Vorstellung einer von ausen verordneten Gesetzlichkeit. Die Bedeutung von Ideen und Handlungen wird im Prozes der Emanzipation neu definiert. Die Autonomie, die man bislang den Ideen zumas, geht auf die Handlungen uber. Damit wird ein uber Jahrhunderte praktisch und theoretisch stili-siertes und reflektiertes Thema — Herrschaft uber Menschen im Namen einer Idee, die sich selbst legitimiert — abgelost durch ein neues Thema von grosartiger Unbestimmtheit und Gefahrlichkeit: Herrschaft des Menschen uber sich selbst im Namen seiner selbst, legitimiert durch sich selbst.

https://doi.org/10.1007/978-3-322-86652-3_1