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Der Ereignisbegriff in der Publizistikwissenschaft

Hans Mathias Kepplinger

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media_common.quotation_subjectArtHumanitiesmedia_common

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Die Realitatsdarstellung der Massenmedien wird meist als Abbild eines Ausschnitts der Realitat betrachtet. Gelegentlich wird sie auch als Konstrukt angesehen, das vorrangig die Arbeitsbedingungen der Medien spiegelt. In beiden Fallen ist das Verhaltnis von Ereignis und Bericht erklarungsbedurftig. Im zweiten Fall geht es um die Prinzipien, nach denen die Medien ihre Darstellung von Realitat konstruieren, im ersten Fall zusatzlich um Ubereinstimmungen und Abweichungen zwischen Realitat und Darstellung – soweit die medienrelevante Realitat anhand medienunabhangiger Indikatoren erkennbar ist. Die Auswahl der Ereignisse, uber die die Medien berichten, ist Gegenstand der Nachrichtenforschung. Dort wird das Geschehen als vorgegebene Wirklichkeit und die Berichterstattung als ihre Widerspiegelung betrachtet. Sie erscheint als Folge von Selektionsentscheidungen, in denen die Eigenschaften der aktuellen Ereignisse sowie die Selektionskriterien der Journalisten die unabhangigen Variablen sind, und die Publikationsentscheidung die abhangige Variable ist. Diese Konzeption leistet zwar einen Beitrag zur Erklarung der Nachrichtenauswahl von Journalisten. Sie wird jedoch aus zwei Grunden dem Verhaltnis der Berichterstattung zum aktuellen Geschehen insgesamt nicht gerecht. Die Medien stellen erstens nicht nur eine vorgegebene Ereigniswelt dar. Die Ereignisse, uber die die Medien berichten, sind z. T. selbst bereits eine Folge der vorangegangenen Berichterstattung, z. T. werden sie eigens fur die Berichterstattung inszeniert und wurden ohne sie uberhaupt nicht existieren. Die Berichte sind zweitens keine einfachen Abbilder der Ereignisse. Sie sind vielmehr auf komplexe Weise mit ihnen verschrankt. Oft sind die Anlasse und Gegenstande der Berichte identisch, zuweilen sind sie jedoch auch verschieden. So greifen viele Beitrage anhand aktueller Ereignisse vorangegangene Geschehnisse auf, die ihren eigentlichen Schwerpunkt bilden. Es findet eine Re-Thematisierung statt.

https://doi.org/10.1007/978-3-531-92780-0_4