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Ein Anderer Weg in die Mathematische Moderne: Wilhelm Wirtinger, Poul Heegaard und Heinrich Tietze

Moritz Epple

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Dieses Kapitel beleuchtet den Weg, auf dem das Thema der Knoten zuerst ins Zentrum der Aufmerksamkeit einiger Mathematiker des fruhen 20. Jahrhunderts ruckte. Dieser Weg nahm seinen Ausgang weder bei dem systematischen Programm, das Dehn und Heegaard in ihrem Artikel fur die Enzyklopadie der mathematischen Wissenschaften skizzierten, noch bei der Tradition der Knotentabulation im Stile Taits, Kirkmans und Littles. Stattdessen zeigte sich bei der Arbeit an einer anspruchsvollen, in der reinen Mathematik des spaten 19. Jahrhunderts entstandenen Fragestellung aus dem Gebiet der algebraischen Funktionen, das gewisse Knoten und Verkettungen der Schlussel zur gesuchten Antwort waren. Zugleich ergab sich eine neue Klasse epistemischer Objekte, die Knoten und Verkettungen zugeordnet werden konnten, bzw. im Kontext der studierten Fragestellung in der Tat zugeordnet waren: jene mathematischen Gegenstande, die heute verzweigte Uberlagerungen der dreidimensionalen Sphare genannt werden. In den Kapiteln 10 und 11 wird sich zeigen, das eine im Sinn des letzten Kapitels moderne Knotentheorie genau in dem Augenblick entstand, in welchem klar wurde, wie Poincares epistemische Techniken auf diese Klasse mathematischer Objekte effektiv angewandt werden konnten. In der Episode dieses Kapitels spielten dagegen die Vorstellungen einer „rein kombinatorischen“ Topologie und der modernen Axiomatik noch keine handlungsleitende Rolle. Da in ihr trotzdem einige der wichtigsten epistemischen Objekte der modernen Knotentheorie konstruiert wurden, fuhrt sie vor, das der Ubergang in die mathematische Moderne — wenigstens im Fall der Knotentheorie — nicht geradlinig oder eindeutig vorgezeichnet war.

https://doi.org/10.1007/978-3-322-80295-8_8