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Kerstin Rabenstein
Ganztagsschule als symbolische Konstruktion — Analysen und Falldarstellungen aus schultheoretischer Perspektive. Zur Einleitung
Die derzeitige Einfuhrung ganztagsschulischer Lernangebote stellt eine grundlegende Veranderung des Schulehaltens in Deutschland dar, die einem Traditionsbruch gleichkommt. Auch wenn inner- und auserhalb des bundesdeutschen Regelschulwesens immer schon Ganztagsangebote als Alternative zur Halbtagsschule bestanden, deutet sich momentan eine kontinuierliche Systemtransformation in nahezu allen Bundeslandern an, die langfristig auf die Einfuhrung der Ganztagsschule als verpflichtender Normalform hinauslaufen konnte.
Zum Verhältnis von Schule und Schülern
Aus strukturfunktionalistischer Sicht weist Schule allen Kindern ab einem bestimmten Alter den Status ‘Schuler’ und damit die Aufgabe zu, gemas den Erwartungen der Institution Schule zu handeln (vgl. Parsons 1968). In der Schule werden Kinder zum ersten Mal in ihrem Leben nicht mehr wie bisher in der Familie partikularistisch behandelt, sondern mit universalistischen Wertorientierungen konfrontiert. In strukturfunktionaler Perspektive wird dieses Verhaltnis von Schule und Schulern im Sinne der gelingenden Reproduktion moderner Gesellschaften positiv kommentiert, da der Erwerb der Schulerrolle als eine die spatere Berufsrolle vorbereitende Rolle und damit als notwendige Voraussetzung fur den…
Fehlende gymnasiale Arbeitshaltung der Schüler — Legitimationsfiguren an Gymnasien
Das Gymnasium wandelte sich in den letzten Jahrzehnten von einer Eliteanstalt zu einer Schule mit dem mittlerweile „attraktivsten Programm einer intellektuell anspruchsvollen Grundbildung“ fur einen breiten Anteil der Sekundarschuler (Baumert u.a. 2005: 487). Die Expansion des Gymnasiums ist zum einen auf die demographische Entwicklung und zum zweiten auf die verstarkte Nachfrage nach gymnasialer Bildung aus allen gesellschaftlichen Gruppen zuruckzufuhren. Auch wenn sich auf diese Weise die Heterogenitat der Schulerschaft am Gymnasium hinsichtlich des familiaren Bildungshintergrunds erheblich vergrosert hat, darf die Veranderung der sozialen Zusammensetzung der Gymnasialschuler dennoch nich…
Grenzverschiebungen des Schulischen im Ganztag — Einleitung zur schultheoretischen Diskussion
Der in der bildungspolitischen und auch schulpadagogischen Diskussion teils implizit, teils explizit formulierte Anspruch, Ganztagsschule musse gegenuber der konventionellen Halbtagschule mehr und anderes bieten1, spiegelt sich auch in den im Forschungsprojekt LUGS erhobenen und in diesem Band dokumentierten Diskursen von Akteuren neuer Ganztagsschulen. Deren symbolische Konstruktionen vom Ganztag2 sind nicht nur von einem offensichtlich starken Legitimationsdruck gelragen, sondern auch von dem Vorhaben, mit dem Ganztagsmodell eine Schule zu schaffen, die uber die Grenzen des „typisch Schulischen“ hinausstrebt. Programmatisch bewegt sich der von uns dokumentierte Diskurs schulischer Akteure…