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Phylogenetische Systematik und Fossilien

Winfried HenkeBernhard WiesemüllerHartmut Rothe

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Das phylogenetische System basiert auf Vorgangen, die sich in der Vergangenheit abgespielt haben. Daher erscheint die Annahme naheliegend, das Fossilien als konservierte Uberreste von Organismen, die in der Vergangenheit gelebt haben, fur die Rekonstruktion der Stammesgeschichte von groser Relevanz sein musten. Der Informationsgehalt von Fossilien uber die Phylogenese der Taxa ist im Gegensatz zu rezenten Formen, die allseits erforschbar sind, jedoch begrenzt (zu erkenntnistheoretischen Aspekten bei der wissenschaftlichen Bearbeitung von Fossilien siehe z. B. Popper 1968, 1974). Die Anzahl der fur entsprechende Analysen verfugbaren Fossilien ist verhaltnismasig klein und weist in der chronologischen Abfolge haufig grose Lucken auf. Ferner ist das meiste Fossilmaterial durch taphonomische87 Prozesse stark verandert (siehe hierzu z. B. Herrmann et al. 1989, Henke u. Rothe 1994, 1999; Rothe u. Henke 2001), so das Detailstrukturen nur noch schwer oder gar nicht mehr erkennbar sind. Individuelle genetische Beziehungen konnen nicht mehr direkt nachgewiesen werden. Deshalb lassen sich Merkmale von Fossi lien immer nur vor dem Hintergrund dessen interpretieren, was aus Beobachtungen heute lebender Organismen bekannt ist, d. h. indem man Kenntnisse uber Polymorphismen, Metamorphismen und andere Aspekte von rezenten auf fossile Taxa ubertragt. Gelegentlich wird in diesem Zusammenhang von einem ind irekten Zugang zur Stammesgeschichte gesprochen.88 Fossilien lassen sich ferner oft nur ungenau ins phylogenetische System einordnen, so das sich fur sie besondere formale Probleme bei der Integration ins System ergeben. Trotz dieser Einschrankungen liefern gut erhaltene Fossilien aber durchaus wichtige Befunde fur die Rekonstruktion der Phylogenese, da sie uber die Analyse rezenter Formen gewonnene phylogenetische Hypothesen in Frage stellen oder widerlegen konnen. Mit diesen Besonderheiten befast sich das vorliegende Kapitel.

https://doi.org/10.1007/978-3-642-55799-6_10